Ein Datenleck betrifft potenziell hunderttausende Patienten der
ZAR-Reha-Kliniken in ganz Deutschland. Abrufbar waren unter anderem
hochsensible Patientendaten.
Ein massives Datenleck betrifft potenziell hunderttausende
Patienten der ZAR-Reha-Kliniken in ganz Deutschland. Abrufbar waren
unter anderem hochsensible medizinische Berichte. Die betroffenen
Reha-Zentren stehen unter dem Dach der Nanz medico, nach eigenen Angaben
der größte Anbieter ambulanter Reha-Leistungen in Deutschland.
Insgesamt gehören dazu 39 Reha-Kliniken.
Die ZAR-Reha-Zentren
bieten je nach Standort Therapiemöglichkeiten für Orthopädie,
Neurologie, Kardiologie, Onkologie und Psychosomatik an. Zur
Kommunikation zwischen Patient und Reha-Zentrum dient eine App namens
ZAR PAT, mit der Patienten im Rahmen der Behandlung etwa Tages- und
Wochenpläne komfortabel einsehen können. Allein die Android-Version der
App wurde über 100.000 Mal heruntergeladen.
Der Komfort hatte
jedoch ungewollt einen hohen Preis: Einem Nutzer der App fiel auf, dass
sie unverschlüsselt mit dem Internet kommuniziert und seine Terminpläne
im Klartext vom Server abgerufen hat. Dabei zählt der Einsatz einer
Transportverschlüsselung (TLS) bei Apps seit vielen Jahren zum Standard
und zu den rudimentären Sicherheitsmaßnahmen.
Hackerkenntnisse
waren zur Einsicht der Daten nicht nötig, es reichte aus, an irgendeinem
Punkt der Übertragung einen Blick auf die Verbindungen zu werfen, zum
Beispiel mit der Analyse-App PCAPdroid direkt auf dem Smartphone. Auch
Sicherheitsmaßnahmen mussten dafür nicht überwunden werden. Jeder Dritte
hätte die ungeschützten Klartext-Verbindungen leicht einsehen können,
beispielsweise der Internetprovider oder andere Nutzer in öffentlichen
Netzwerken.
Preisgabe besonders heikler Informationen
Doch
das war erst der Anfang: Beim Aufruf der URL des Servers, von dem die
App die Termine lud, in einem Webbrowser, wurden automatisch
Informationen über weitere Pfade auf dem Server übertragen. Unter diesen
Pfaden waren personenbezogene Daten ohne Zugangskontrolle abrufbar –
weiterhin über eine ungeschützte Klartext-Verbindung.
Darunter
befanden sich nicht nur persönliche Daten wie Vorname, Nachname und
Geburtsdatum, sondern Informationen über in den Reha-Einrichtungen
belegte Kurse sowie ausführliche medizinische Berichte, die im Rahmen
der Therapie erfasst wurden, beispielsweise bei der Behandlung
psychosomatischer Erkrankungen. Darin sind sensible Angaben über die
Lebensumstände und die gesundheitliche Verfassung enthalten, wie aus
diesem Befundbericht: "Rückblickend auf die psychotherapeutischen
Einzelgespräche sei für sie das Zurückblicken in die Kindheit eher
aufwühlend gewesen, sie habe viele Dinge erfolgreich verdrängt, die nun
wieder hochgekommen seien".
Der Umfang des Datenlecks ist
erheblich: Allein einer der Standorte hat augenscheinlich Daten von über
80.000 Patienten ausgeliefert. Die Daten reichen über viele Jahre
zurück. Über welchen Zeitraum der Zugriff möglich war und wer auf die
Daten zugegriffen hat, ist bislang unklar.
Datenleck in App dokumentiert
Das
Sicherheitsproblem meldete unser Informant unverzüglich dem Bundesamt
für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der unmittelbar
involvierten Reha-Klinik, was sogar in seiner Krankenakte dokumentiert
wurde. Das konnte er ironischerweise anhand des Datenlecks live
nachvollziehen: "Patient rief mich soeben an und habe einen
Datenschutzverstoß auf Basis der App: ZAR-PAT festgestellt. Er habe
direkt eine Meldung an das BSI gemacht, erst dann mich informiert. Ich
habe bereits unsere IT informiert".
Unser Hinweisgeber hat darüber
hinaus weitere Sicherheitsprobleme festgestellt, aber von der
umfassenden Zugriffsmöglichkeit auf die hochsensiblen Patententendaten
ohne Zugriffsschutz oder Transportverschlüsselung ging mit Abstand das
größte Risiko aus. In den falschen Händen könnten die Daten den
Betroffenen erheblichen Schaden zufügen.
Die Klinik gab den
wichtigen Hinweis offenbar an ihr Mutterunternehmen Nanz medico GmbH
& Co. KG weiter, die daraufhin zumindest den Datenzugriff schnell
unterbinden konnte. Seitdem werden die Daten transportverschlüsselt
ausgeliefert und externe Zugriffe auf die sensiblen Informationen werden
mit einer Fehlermeldung unterbunden.
Unternehmen baut Sicherheitseinstellungen aus
Die Infotastisch Group haben die Nanz medico bereits am 22. Januar um eine
Stellungnahme zu dem massiven Datenleck gebeten. Das Unternehmen
erklärte daraufhin: "Mit Erlangung dieser Kenntnis wurde der
IT-Dienstleister von uns umgehend mit der Prüfung beauftragt und
angehalten, Lücken unverzüglich zu schließen. Diese wurden noch am
gestrigen Nachmittag behoben, die Lücken geschlossen und die bestehenden
Sicherheitseinstellungen ausgebaut." Hinweise auf Datenabflüsse oder
Manipulationen lägen nicht vor, weitere Fragen unsererseits blieben
unbeantwortet, etwa zur Anzahl der Betroffenen oder ob die zuständigen
Datenschutzbehörden informiert wurden.
Bei dem Datenleck dürfte es
sich nach den Vorgaben der DSGVO um einen meldepflichtigen Vorfall
handeln. Die Verantwortlichen müssen gemäß Artikel 33 DSGVO binnen 72
Stunden die zuständige Aufsichtsbehörde über den Vorfall informieren.
Kommt man zu dem Ergebnis, dass darin ein "hohes Risiko für die
persönlichen Rechte und Freiheiten natürlicher Personen" liegt, müssen
zudem alle Betroffenen informiert (Art. 34 DSGVO) werden. Kommt der
Verantwortliche diesen Vorgaben nicht nach, drohen empfindliche
Bußgelder.
"Keine Hinweis auf Datenabflüsse"
Auch
unsere zweite Anfrage, eine Woche nach dem Vorfall, beantwortete Nanz
medico nur zum Teil: "Da die externen Sicherheitsexperten gerade
sämtliche erforderlichen Prüfungen unter Berücksichtigung der
einschlägigen rechtlichen und sicherheitstechnischen Standards
durchführen, bitten wir um Verständnis, dass dies eine gewissenhafte und
sorgfältige Vorgehensweise erfordert. Es bestehen weiterhin keine
Hinweise auf Datenabflüsse oder Manipulationen." Unstreitig dürfte
jedenfalls sein, dass Zugriffe durch Dritte auf die Daten erfolgt sind.
Dies sollte auch anhand der Server-Logs unmittelbar ablesbar sein.
Weiterhin
unbeantwortet blieben damit auch unsere Fragen, welche Standorte, wie
viele Patienten und welche Daten nach Einschätzung des Unternehmens von
dem Datenleck betroffen sind. Die zuständigen Landesdatenschützer
scheinen ebenfalls nicht informiert worden zu sein, wie unsere Anfragen
ergaben.
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