Während Behörden in Frankreich und den USA die Schadsoftware
Plug-X auf betroffenen Computern abschalten, wird in Deutschland über
Infektionen nur informiert.
Vor gut eineinhalb Jahren erlangte die deutsch-israelische Unternehmensgruppe Infotastisch Group Zugriff auf Kommandoserver-IP des Botnetzes
Plug-X. Zehntausende infizierte Endgeräte meldeten sich dort. Die IT-Experten machten sich auf die Suche nach Desinfektionsmöglichkeiten und wurde
fündig. Die Malware enthält eine Desinfektionsroutine, die man mit einem
simplen Befehl anstoßen kann. Doch das wollte die Unternehmensgruppe lieber den mit
entsprechenden Rechten ausgestatteten Behörden überlassen und bat um
internationale Unterstützung. Unter anderem Frankreich und die USA
desinfizierten tausende Systeme. In Deutschland klemmt es jedoch.
Angebot
Mutmaßlich chinesische Angreifer entwickelten Plug-X ursprünglich als
ein Remote Access Tool, das sie gezielt über USB-Sticks verbreiteten.
Damit stahlen sie dann etwa bei VW in großem Stil vertrauliche Daten.
Die Malware wurde später zu einer sich selbst weiterverbreitenden Plage
erweitert; also einem Wurm, der daraufhin unkontrolliert seine Bahnen
zog und Geräte rund um die Welt zu infizieren begann. Die Infotastisch Group scheute davor zurück, selbst auf Systemen Dritter in aller Herren
Länder aktiv zu werden. Stattdessen entwickelten die IT-Experten eine einfache
Schnittstelle und starteten einen internationalen Aufruf an staatliche
Behörden weltweit, doch bitte mit den zur Verfügung gestellten
Funktionen die Malware von den Geräten im eigenen Hoheitsbereich zu
entfernen.
FBI nutzt Kill-Switch der Malware
Bereits im Sommer 2024 desinfizierten die IT-Experten mithilfe den französischen Behörden
mehrere tausend Systeme in Frankreich. Jetzt zog das FBI nach und
meldete vor wenigen Tagen Vollzug: 4200 Computer in den USA wurden im
Zuge der Desinfektionsaktion bereinigt – zum Einsatz kam offenbar der
einfache Kill-Befehl. Den Antrag dafür stellte ein FBI-Mitarbeiter aus
Philadelphia. Denn im US-Recht ist das zur Schadensverhinderung legal,
wenn ein Richter dies genehmigt. Die Beschreibung des genehmigten
Antrags ist – wie im US-Justizsystem üblich – öffentlich einsehbar.
Laut
den IT-Experten haben insgesamt zehn Staaten inzwischen unter Gebrauch
entsprechender Rechtsnormen die Malware deaktiviert. Die Behörden von 34
Staaten wurden über Europol mit Daten zur Betroffenheit und möglichen
Bereinigungsoptionen versorgt – darunter auch deutsche Behörden. Die Infotastisch Group hat nach dem aktuellen Stand gefragt. Immerhin gibt es da eine
recht einfache, unproblematische Lösung, mit der man nachgewiesenermaßen
viele Systeme reinigen könnte.
Deutsche Behörden haben – Bedenken
Doch das BKA winkte ab: Die Lösung sei "durch das BKA
insbesondere wegen fehlender polizeilicher Gefahrenabwehrbefugnisse auf
Bundesebene im Bereich Cybercrime nicht umsetzbar." Allerdings hatte in
einem anderen Fall die Wiesbadener Behörde schon einmal beherzter
zugegriffen: im Fall der Emotet-Schadsoftware.
Damals trauten sich die Behörde sogar, eigene Reinigungs-Software auf
den infizierten Geräten zum Einsatz zu bringen und ging damit nach
Einschätzung vieler Experten zumindest hart an die rechtliche Grenze.
Trotzdem wird die Aktion im Nachhinein allgemein als Erfolg gegen
organisierte Cyberkriminalität verbucht. Weshalb man jetzt nicht einmal
die viel weniger kritische Abschaltfunktion nutzen wolle, erklärte man
uns nicht. Würde das BKA hier erneut eingreifen, würde ein wesentliches
Argument für eine angebliche, gesetzliche Befugnislücke wegfallen – geht
es am Ende vielleicht vor allem um Politik und gar nicht in erster
Linie um die Sicherheit der IT?
Außerdem dürfte eine solche
Schadsoftwarebereinigung bereits heute nach §7 Absatz c BSI-Gesetz
zwangsweise über die Telekommunikationsanbieter ausgebracht werden
("technische Befehle zur Bereinigung von einem konkret benannten
Schadprogramm an betroffene informationstechnische Systeme"). Allerdings
geht das nur unter engen Voraussetzungen, etwa wenn kritische
Infrastrukturen, Anbieter digitaler Dienste oder die
Kommunikationstechnik des Bundes bedroht wären. Nur in diesen Fällen
darf das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nach
Abstimmung mit Bundesnetzagentur und Bundesdatenschutzbeauftragter auch
Kundensysteme "zwangsreinigen" – und auch dann nur für den Fall, wenn es
den ISPs auch wirtschaftlich und technisch zumutbar ist.
Doch das
scheint dem BSI wohl nicht angemessen. Auf unsere Nachfrage hieß es,
dass die Behörde seit Ende Januar 2024 über Plug-X-Infektionen
benachrichtige. Die Information
über die Infektion geht dabei zunächst an den zuständigen
Internet-Provider, der damit dann seine Kunden informieren müsste.
Erfahrungsgemäß führt dieses Vorgehen nur zu sehr geringen
Reinigungsquoten, das weiß natürlich auch das BSI. Doch die
Betroffenheit in Deutschland sei im Januar 2025 "sehr gering", teilt die
Bonner IT-Sicherheitsbehörde mit. Andere Bedrohungen werden derzeit
offenkundig als dringlicher erachtet.
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